Eine Lettering Challenge

#100daysoflettering: 100 Tage. Eine Stunde. Ein Lettering.
Initiiert wurde diese Challenge auf der Berlin Letters 2019 von Chris Campe und Francis Chouquet. Francis erzählt in seinem Vortrag über seine ersten 100 Tage. Er hatte sich mittags die Zeit für das Zeichnen von Buchstaben genommen. Und wir, die Zuhörer, waren begeistert, was er in diesen Tagen an wunderschönen Arbeiten schaffte, als auch was es mit ihm machte. Nun, das reizte uns auch und die Challenge fing kurz nach der Konferenz im Juni 2019 an.

Jeden Tag ein Lettering, Zeit für etwas Neues, Zeit zum Ausprobieren, begrenzt auf eine Stunde. Und so fing ich mit den ersten Bleistiftskizzen an, die viel zu lange dauerten, bis ich plötzlich auf die Idee kam, Haushaltspinsel zu verwenden. Daraus wurden schnell Werkzeuge aus der Natur oder alles, was mir irgendwie über den Weg lief. Vorzugsweise natürliche Materialien. Damit bastelte ich mir meine eigenen Werkzeuge, »brandete« diese mit meinem Washy-Tape und schrieb mit Tusche meine freien Buchstaben. So entstanden überraschene Spuren, jeden Tag unerwartet anders. Der Inhalt sollte nicht im Vordergrund stehen, daher schrieb ich meist Worte wie »Type« oder »Zeit«. Ein wunderschönes Projekt!

Mut zum Ausbruch (aus dem Alltag)
Mein Alltag ist immer recht getaktet. Auch wenn ich es so eigentlich nicht möchte.Und doch passiert es schnell, dass ich nur meiner To-Do-Liste nachkomme, wenn ich nicht achtsam mit mir umgehe. Da ist der Schulalltag meiner Tochter (Teenager-Alter), der morgends den Ton angibt. Also von wegen um 7 Uhr los zum Joggen, was zeitlich eigentlich optimal wäre. Für mich. Aber nicht für sie. Da geht es also schon los, das »Fremdbestimmen«. Nicht falsch verstehen. Ich geniess das gemeinsame Frühstück als einen schönen und wichtigen Start in den Tag. Aber dann geht es schon fliessend über ins Arbeiten. Projekte nach Kundenwunsch. Ich hab das Glück, dass ich mit meinem Job etwas Schönes jeden Tag tun darf. Und doch fliesst der ganze Tag dahin. Als alleinerziehende Mama kommt die Logistik noch dazu. Der Abend endet oft mit dem Rechner auf dem Sofa. Ruhe für Recherche, Homepgae-Pflege etc. Aber etwas für mich selbst gestalten und ausprobieren, kommt meist zu kurz. Es sei denn, ich nehme es mir felsenfest vor. Und wie bei allen neue Vorsätzen etablieren sich diese erst mit viel Mühe. Ich muss Routinen entwickeln, die sich wie selbstverständlich in den Tag eingliedern. Und sie müssen den gleichen Stellenwert bekommen wie Auftragsarbeiten. Denn sonst wird nichts daraus.

Morganmatinée in Tusche
Nun begann ich also den Tag mit einer sehr frühen Morgen-Kunst-Aufführung. Matinée? Denn diese Challenge erschien mir wie eine Inszenierung. Man probiert, lettert etwas für sich und dann wird auf Instagram mit #100daysoflettering gepostet. Es gab also einen gewisser Druck. Erstens die Routine beizubehalten, jeden Tag etwas zu machen und dann auch noch zu posten. Ich bin keine begeisterte »Posterin«. Es ist einfach doch schon aufwendig. Ganz am Anfang zeichnete ich ein paar Buchstaben mit dem Bleistift nach dem Frühstück. Schöne Formen, es machte viel Spass und ich bekam ganz viele »Likes», die unheimlich anspornten. Aber ich brauchte zu lange. Viel zu lange. Und dann kam eben wie oben beschreiben die Idee mit den »Findlingen«. Morgends war zudem der beste Moment. Alles schlief noch, wenn ich um 6 Uhr morgens loslegte. Egal wo ich war, ich hatte meinen Buchbindekarton dabei, der den Untergrund schützte, arrangierte Tusche und Bastelutensilien wie Kartons, Washy-Tape, Schere, Cutter und das gefundene Material. Dann bastelte ich mein Werkzeug und mit dem letzten Handgriff, die Markierung mit Washy-Tape, war alles bereit für das Experiment. Wie sehen die Buchstaben nun aus? Welche Spuren hinterlässt das Werkzeug auf dem Papier? Das war ein spannender Moment. Und wenn die Spuren ganz besonders waren, krochen richtige Glücksmomente in mir hoch. Am Schluss noch der Instapost und ab in den normalen Tag. Ich habe diese Routine geliebt. Nach 100 Tagen war ich dennoch froh durchgehalten zu haben und wieder ausschlafen zu können. Und es wurde ruhiger auf meinem Acount.

Aber es fehlt. Ja, ich bin am Überlegen ob ich es wieder anfange. Nein, keine Challenge mehr. Einfach nur für mich. Meditieren? Sport? Jedem das Seine. Ich lettere.